Als Xenija und ich uns das erste Mal begegneten, waren wir noch Kinder. Wir waren Nachbarn. Unsere Gärten grenzten aneinander und boten uns die Möglichkeit, auf das Grundstück des anderen zu blicken. Eines Tages hatte ich sie dort in ihrem Garten spielen gesehen und ich fühlte mich gleich zu ihr hingezogen. Sie war mir von Anfang sympathisch. Ich würde sagen: Wie Liebe auf den ersten Blick. Ich wollte sie unbedingt kennenlernen. Das Mädchen mit den schönen, hellblonden Haaren.
Wann weiß ich, dass ich meinen Seelenpartner gefunden habe?
Natürlich lernten wir uns kennen und wurden Freunde. Schon als Kind hatte ich gespürt, dass unsere Freundschaft inniger war als meine anderen Freundschaften. Aber erst als wir älter wurden, wurden wir uns bewusst, dass uns beide mehr verbindet als nur Freundschaft.
Xenija war mein Anker. Sie war für mich da, als ich mit Selbstzweifel, Unsicherheiten und anfänglichen Depressionen gekämpft habe. Ich hatte mich an sie festgeklammert, denn ich hatte das Gefühl, sie wäre die einzige gewesen, die mich verstand und die mich liebte, so wie ich war. Wir sprachen über alles, was uns auf dem Herzen lag, hatten fast immer dieselbe Meinung und respektierten und akzeptierten den anderen, wenn es mal nicht so war. Wir verbrachten jede freie Minute zusammen und wenn wir keine freie Minute miteinander hatten, dann waren wir ständig in Kontakt über Whatsapp. Wenn wir zu Bett gingen, wünschten wir uns “Gute Nacht”. Wenn wir morgens aufwachten, war der erste Griff nach dem Handy, um dem anderen einen “Guten Morgen” zu wünschen. Wir waren uns nie auf die Nerven gegangen. Im Gegenteil: Wir brauchten einander, um uns vollständig zu fühlen.
Auch Xenijas körperliche Nähe war mir nie unangenehm gewesen. Manchmal legte sie ihren Kopf auf meinen Schoß. Bei jeder anderen Freundin hätte sich mein Körper angespannt und ich hätte gehofft, der Moment würde schnell vorbeigehen. Aber nicht bei Xenija. Xenijas Nähe genoss ich sogar.
Xenija und ich erkannten, dass wir seelenverwandt sein müssen. Denn all meine Empfindungen ihr gegenüber, empfand sie auch für mich. Wir ergänzten uns so gut und wurden einander so ähnlich und gleich, dass wir schon oft gefragt wurden, ob wir Zwillinge seien.
Kann sich eine Seelenverwandtschaft trennen?
Doch mit dem Älterwerden kamen auch neue Lebensumstände hinzu, die uns geprägt und charakterlich verändert haben. Plötzlich bewegten wir uns in andere Richtungen und brauchten einander nicht mehr so sehr. Das wollten wir nur nicht wahrhaben. Unsere Freundschaft war zu schön und besonders gewesen, um sie einfach aufzugeben. Wir hatten uns daran geklammert, einander festgehalten, aber wir scheiterten immer wieder an unserem Vorhaben. Wir waren zu unterschiedlich geworden. Wir passten nicht mehr zueinander. Unsere Zeit war vorbei.
Wir brachen eine Zeitlang den Kontakt zueinander ab und bauten uns ein Leben ohne den anderen auf. Die ausführliche Geschichte kannst du in meinem Buch “Löffle dein Leben” nachlesen.
Aber trotz dem Kontaktabbruch hatten wir einander nie vergessen.
Jahre später näherten wir uns wieder an und stehen seitdem immer noch im Kontakt. Wir führen keine intensive Freundschaft mehr, aber unsere Wege kreuzen sich hin und wieder. Es fühlt sich an, als würden wir zwar unterschiedliche Wege gehen, doch diese Wege laufen parallel zueinander.
Auch wenn es Monate gibt, in denen ich Xenija nicht höre oder sehe, kann ich trotzdem ihre Gegenwart spüren. Und wenn ich sie höre oder sehe, dann ist es, als wäre sie nie weg gewesen.