Bisher habe ich ein Lebensziel von meiner Löffelliste gestrichen. Gestrichen auf dem Papier, aber nicht in meinem Kopf. In meinem Kopf existiert das Lebensziel noch, es ist noch abgespeichert und wird auch nicht vergessen: Ich möchte eines Tages mein Motorradführerschein machen.
Was spricht für ein Motorrad – Was spricht gegen ein Motorrad
Das Motorradfahren ist ein umstrittenes Thema zwischen meinem Mann Benedikt und mir. Ich liebe das Motorradfahren, denn schon als Kind fuhr ich oft zusammen mit meinem Papa auf den Straßen. Es fühlte sich immer nach Freiheit an, wenn der Wind die Motorradklamotten streifte. Es fühlte sich gefährlich an, wenn das Motorrad sich geschmeidig in die Kurve legte. Ich hatte unheimlich viel Spaß und Freude am Motorradfahren, denn ich konnte auch dadurch Zeit mit meinem Vater verbringen. Und ich verbrachte so gerne meine Zeit mit meinem Papa. Daher schrieb ich mir “Motorradführerschein machen” auf meine Löffelliste.
Benedikt hingegen verbindet mit dem Motorradfahren keine schöne Erinnerungen. Vor ein paar Jahren ist sein Cousin bei einem Motorradunfall verstorben. Er hinterließ eine Frau und drei Kinder. Es liegt auf der Hand, dass für Benedikt Motorradfahren für Angst, Risiko und Verlust steht. Dass er sich Sorgen machen wird, wenn ich Motorrad fahren werde. Daher war Benedikt strikt dagegen, dass ich meinen Motorradführerschein mache.
Was sollte ich tun? Sollte ich mein Lebensziel von meiner Löffelliste streichen?
Zuvor hatte ich noch nie ein Lebensziel von der Löffelliste gestrichen. Jedes Ziel, welches auf der Liste ihren Platz gefunden hatte, hatte ich mit Bedacht ausgesucht und an jedem Ziel hing auch mein Herzblut.
Im Allgemeinen sehe ich es unkritisch, Lebensziele von der Löffelliste zu streichen. Im Laufe des Lebens verändern wir uns. Mit jeder neuen, hinzugewonnen Erfahrungen kann sich unser Lebensstil ändern, unser Charakter, unsere Vorlieben und Hobbys. Und damit auch unsere Lebensziele. Was wir vorher vielleicht gemocht haben, gefällt uns plötzlich nicht mehr. Wo wir vorher immer gerne und viel Zeit verbracht haben, dort wollen wir auf einmal nicht mehr sein. Es ist in Ordnung, wenn wir und unsere Lebensziele sich ändern. Nur so können wir wachsen.
Doch seit jeher hat sich an meiner Leidenschaft zum Motorradfahren nichts geändert. Ich bin immer noch total begeistert und würde gerne meinen Motorradführerschein machen. Also stellt sich die Frage: Soll ich mein Lebensziel von der Liste streichen, weil es dem eigenen Partner nicht gefällt?
Emotionale Unabhängigkeit – Was spricht gegen das Motorradfahren?
Viele Feministinnen werden sicherlich an dieser Stelle “Nein!” rufen: “Mache deine Lebensziele niemals von einem Mann abhängig.”
Das sehe ich ganz genauso. Wir sollten unsere Lebensziele niemals von einem anderen Menschen abhängig machen. Egal, ob es der Partner, ein Freund oder die Familie ist. Die Lebensziele auf unserer Löffelliste sollten immer unsere eigene Wünsche repräsentieren und nicht die von anderen. Was möchte ICH im Leben erreichen? Was möchte ICH tun, bevor ich eines Tages sterbe? Wenn wir auf unsere Wünsche und Lebensziele verzichten, weil es ein anderer Mensch von uns verlangt, dann kann es passieren, dass wir uns irgendwann fragen: “War es das wert? Für wen habe ich gelebt? Für mich selbst oder für die andere Person?” Im schlimmsten Fall verlässt uns der Mensch, der von uns verlangt hat, auf Dinge zu verzichten, die wir gerne gemacht hätten. Dann ärgern wir uns, weil jemand anders uns davon abgehalten hat, uns frei zu entfalten.
Auf der anderen Seite sollten wir aber nicht ganz so egoistisch sein. Wir sollten trotzdem immer in Betracht ziehen, warum der andere Mensch uns vielleicht von etwas abhalten möchte. In meinem Fall macht sich Benedikt nur Sorgen um mich. Er hat Angst, dass mir beim Motorradfahren etwas zustoßen könnte. Ich hatte mich daher gefragt: “Möchte ich es zulassen, dass mein Mann sich immer sorgt, wenn ich auf das Motorrad steige?”
Zumal ich seine Sorgen und Bedenken verstehen kann. Ich versetzte mich in die Lage meines Mannes. Würde ich mir auch nicht jedes Mal Sorgen machen, wenn Benedikt auf das Motorrad steigen würde? Würde ich mich nicht auch immer wieder fragen: “Kommt er wieder heim?”
Wie oft höre ich in den Nachrichten von Motorradunfällen? Sehr oft. Auch wenn ich Auto fahre, habe ich stets ein mulmiges Gefühl, wenn ein Motorrad vor oder hinter mir auf der Autobahn fährt. Ich habe immer Angst, ich könnte den Motorradfahrer übersehen.
Aus diesen Gründen strich ich mein Lebensziel von der Löffelliste.
Ende gut, alles gut
Aber mein Mann wäre nicht mein Mann, wenn er mich von meinen Lebenszielen abhalten würde. Zum Glück ist er ein verrückter Kerl. Er sagt, sobald ich ihm fünf Kinder geschenkt habe, kann ich meinen Motorradführerschein machen. Lachend fügte er noch hinzu, dass ich von ihm aus auch von einer Klippe springen könnte. Sollte ich dann dabei sterben, wäre es nur halb so schlimm, da ich ihm ja vorher die fünf Kinder geschenkt habe.
Ich nenne das einen guten Kompromiss.
Wenn du mehr über meine Löffelliste erfahren möchtest, dann empfehle ich dir mein Buch “Löffle dein Leben” sowie meine vorherigen Blogartikel.